Montag, 6. August 2018

"Ararat: Die Sündenflut", Melanie Vogltanz





Inhalt/Meinung

„Ararat“ zählt zu den Büchern, deren Klappentexte ich lese und von denen ich sofort fasziniert bin. Ich kann noch nicht mal genau benennen, warum das so ist, aber es gibt einfach so Bücher, die ziehen mich an, wie Licht die Motten. Ich bin also eine Motte und Ararat war das Licht. Tötete es mich, weil ich zu nah ran flog oder erschufen wir eine annehmbare Symbiose?

Fangen wir mal mit der Welt an. Das Beste an der ganzen Geschichte ist nämlich die Welt! Damit hatte mich die Autorin sofort, auch wenn ich gern mehr über die zerstörten Städte erfahren hätte, konnte ich mir doch ein recht gutes Bild darüber machen. Aber ich greife vor.
Die Welt, so wie wir sie kennen, wird durch eine Megaflut zerstört. Alles ist weg, die Menschen tot. Es dauert eine ganze Weile bis sich die Menschheit erholt, davon bekomme ich aber nichts mit.
Aber das, was ich von der neuen Welt sah, hat mich fasziniert. Jedwede Erfindung wurde weggespült und die Frauen müssen nun gucken, wie sie klar kommen. Es ist ein hartes Leben, aber irgendwie fand ich es auch einfacher. Die Frauen müssen sich keine Sorgen mehr machen, ob sie eine E-Mail verpasst haben. Ob der Handyakku noch hält, weil man dauerhaft erreichbar ist oder ob sie überteuerten Kaffee trinken wollen. Kein Gedanke an das miese Fernsehprogramm oder der Drang immer und immer wieder online zu gehen, weil man auf gefühlten zwanzig Portalen angemeldet ist und man gucken muss, ob sich irgendwo irgendwer gemeldet hat. Es geht darum, zu überleben. Essen, Wasser, ein warmes Zimmer. Feste Aufgaben, die für den Erhalt der Gruppe sorgen. Gespräche, körperliche Erschöpfung, weil man wirklich etwas geschaffen hat.
Die Welt, die Melanie Vogltanz geschaffen hat, war auf ihre Grundzüge reduziert und ich fand es klasse! Natürlich ist nicht nur alles so, wie ich es beschrieben habe. Es gibt Angst, Unterdrücken und jemanden, der rebelliert. Schließlich sind wir hier in einer Dystopie! ;-)

Alan Derstan, unser Hauptprotagonist, roter Faden und Führer durch die Geschichte, landet durch seltsame Umstände in dieser Welt, 100 Jahre nach der Megaflut. An dieser Stelle muss ich sagen, ich hätte gerne erfahren, wie er genau dort landen konnte. Da wird leider gar nicht weiter drauf eingegangen. Ich empfand die Geschichte nicht als „Fantasy“, aber diese eine Sache, wie er eben dort gelandet ist, hinterließ einen seltsamen Nachgeschmack bei mir. Ich weiß, irgendwie musste der Gute ja dahin, wo er hinsollte, aber dennoch. Das aber nur am Rande, denn bis ich am Ende der Geschichte angelangt war, hatte ich den Grund für Alans Ankunft schon wieder vergessen. Ich denke, dass sagt alles.
Alan ist ein zerrissener, einsamer, seltsamer Mann, mit Grundsätzen, Prinzipien und einer dezenten und wirklich subtilen Macke. Er hat viel durchgemacht, landet in einer Welt, die er nicht kennt und so ziemlich alles und jeder versucht ihn umzubringen. Da kann man schon mal über die Stränge schlagen. Aber ich mochte Alan, auch wenn er nicht immer das richtige tut (oder gerade deswegen!). Es machte ihn menschlicher, echter, realer. Ich verstand ihn, seine Konflikte, das, was ihn antrieb. Seine Entwicklung war subtil und mit einigen Rückschlägen gespickt. Alan hatte sehr viele Sünden auf sein Sünden-Konto geladen. Aber zählt am Ende nicht nur, dass man endlich begreift, was man alles falsch gemacht hat? Das man am Ende wirklich und wahrhaftig bereut?

Auf seinem Weg durch die Welt, die durchgespült vom Wasser nun ihre karge, harte Seite zeigt, trifft Alan auf Menschen. Menschen, die unterdrückt werden, das aber gar nicht anders kennen. Frauen, die arbeiten um überleben zu können. Die eine göttliche Vorstellung haben, die mir so verquer vorkam, dass sie schon wieder realistisch war, weil innerhalb der Geschichte einfach die Möglichkeiten da waren, dass sie jemand gottgleich erhebt und den Rest der Überlebenden sich selbst unterwirft. Es sind Frauen, die stark sind, auch wenn man es nicht gleich sieht. Frauen, die Fehler machen und dennoch den richtigen Weg einschlagen. Männer, die entgegen ihrer Kondition fühlen, dass das was sie machen, einfach falsch ist. Dass ihre Leben kein Leben ist. Egal, wie tief oder gründlich jemand sich die Menschen unterwirft und ihnen irgendein Weltbild einbläut. Egal, wie sehr die Menschen auf etwas Konditioniert werden, den Überlebensdrang kann man niemandem austreiben. Das angeborene Denken und Fühlen von richtig und falsch kann niemand auslöschen. Die Autorin hat das hier auf eine sehr eindrucksvolle Weise umgesetzt und dargestellt. Ganz langsam muss auch der Leser lernen, was richtig und was falsch ist und sich fragen, warum bestimmte Situationen, die wir als falsch ansehen, vielleicht doch richtig sind. Und warum richtige Situationen so falsch sein können.

Es war eine lange, anstrengende Reise, die ich mit den verschiedenen Figuren bestritt. Die Autorin hat einen sehr einprägsamen Schreibstil, der mich alles viel intensiver erleben ließ. Ich spürte die Sonne auf meiner Haut, litt Hunger, hatte Schmerzen und da war es vollkommen egal, mit welcher Figur ich gerade reiste, denn sie hinterließen alle einen bleibenden Eindruck. Ich mochte den ehrlichen, unverfälschten Schreibstil, die Worte waren echt und ich glaubte ihnen, egal, wer gerade sprach oder dachte. Melanie Vogltanz schaffte es sehr aufwühlende Bilder in meinen Kopf zu pflanzen und mich damit immer tiefer in die Geschichte zu ziehen.
Ich litt mit den Figuren, ich starb tausend Tode, ich hungerte, ich hatte Durst und schreckliche Angst. Ich schwitzte, fror und zweifelte an allem und jedem. Es war grauenvoll und fantastisch zugleich. Selten hat mich eine Geschichte körperlich so mitgenommen, wie diese hier.

Wenn man emotional und gedanklich sehr tief in einer Geschichte drinnen steckt, dann entwickeln sich ganz von selbst Erwartungen. Sie bauen sich auf, breiten sich aus und verankern sich in der eigenen Vorstellungskraft. Ich wünschte mir für einige Figuren gute Dinge, für andere schlechte. Ich hoffte. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie die Geschichte mit den Erwartungen des Lesers umgeht. Erstens: sie erfüllen sich. Der Leser freut sich und alles ist gut.
Zweitens: Man liest Ararat und die Erwartungen explodieren wie die Welt, sollte man sie in die Luft jagen wollen.
Das Ende hat mich dermaßen aufgeregt, sodass ich noch tagelang damit zu kämpfen hatte. Über mehrere hundert Seiten haben sich meine Erwartungen aufgebaut, ich lernte die Figuren lieben und/oder hassen. Ich litt! Ich hoffte! Ich LEBTE in der Geschichte nur um dann dieses Ende vorgesetzt zu bekommen. Wieder sehe ich zwei Möglichkeiten (und ich weiß noch immer nicht, welche ich für mich besser finde).
Erstens: Die Autorin wusste nicht, wie sie die ganzen, gefühlte tausend rote Fäden, zusammenbringen will und hat sich ein anderes, passendes, fulminantes Ende ausgedacht. Kurz, knapp, einfach.
Zweitens: Dieses Ende war genauso geplant, um die armen Leser zu quälen.

Egal, welche Möglichkeit die richtige ist, das Ende ist im Nachhinein gesehen, passend. Ich regte mich zuerst wirklich tierisch auf, aber nachdem ich etwas darüber nachgedacht hab, geht es wirklich kaum passender. Schließlich sind es die Sünden, mit denen die Menschheit zu kämpfen hat und irgendwie hat sie bewiesen, dass man Menschen, egal wie sehr man sie konditioniert, nicht ändern kann. Das trifft nun mal auf das Gute und auf das Schlechte zu.

Eine Frage habe ich aber dennoch: Liebe Melanie, wie funktionieren die Kameras in den Hütten der Frauen? Kabel? Wohl kaum. Satelliten? Eher weniger. Drahtlose Funkverbindung?  … Das nicht zu wissen, treibt mich noch in den Wahnsinn! *Haare rauf*
„Ararat“ ist anders, als der Leser auf den ersten Blick glauben mag und doch genauso, wie die Vorstellung es erlaubt. „Ararat“ urteilt nicht, sondern sorgt dafür, dass man als Leser die Dinge selbst hinterfragt, das man nachdenkt. Selbstreflexion. Ich denke, „Ararat“ fällt in die Kategorie der Bücher, die man entweder mag, oder nicht. Dazwischen gibt es nichts. Ich mochte es, deswegen denke ich, dass es für Dystopie-Fans ein must read ist. Man sollte nur keine Erwartungen aufbauen. ;-)

Fazit

Obwohl „Ararat“ mit gefiel, bin ich innerlich total zerrissen. Das Ende spielt hier eine sehr große Rolle. Auch wenn ich nach einigen Tagen „drüber nachdenken“, denke es ist passend, ärgert es mich noch immer. Außerdem gibt es einige Aspekte in der Geschichte (wie die oben erwähnten Kameras), deren Funktionsweise ich mir einfach nicht erklären konnte und die auch innerhalb der Geschichte keine Erklärung fanden. War jetzt nicht sooo schlimm wie das Ende, aber dennoch vorhanden.

Klappentext

„Dies war der Tag, an dem die Welt ertrank.“

Wasser reinigt. Wasser ist Leben. Wasser wäscht alle Sünden fort. Doch was geschieht, wenn auch Technologien, die halbe Menschheit und fast alle Erinnerungen an das Leben, wie wir es kennen, von den Fluten weggespült werden?

Alan Derstan findet sich durch seltsame Umstände in einer postapokalyptischen Welt wieder. Ein gottgleicher Herrscher regiert, die Bevölkerung leidet und leise brodelnd regt sich Widerstand. Zwischen dem Aufbegehren und dem Versuch, sich in einer fremden Zukunft zurechtzufinden, entdeckt Alan so manche Regeln dieser neuen Welt, die in seinen Augen besser ein Opfer der Fluten geworden wären. War die Sintflut das Ende oder erst der Beginn einer größeren Katastrophe?
 









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