EIGENTLICH wären heute ja die "Neuen Welten" dran, aber ich bin brav und hab ich zurückgehalten, ergo keine Neuzugänge. Deswegen gibt es glatt noch eine "Alte" hinterher. ^^
Inhalt/Meinung
Bevor ihr zu diesem Buch greift und euch in die Geschichten
vertieft, solltet ihr zwei Dinge hinter euch bringen.
Erstens: Verabschiedet euch von der klassischen Definition
von „Dystopie“. Dystopie ist mehrfach auslegbar, tausendfach interpretierbar
und unendlichmal umsetzbar. Zweitens: Lest das Vorwort!
Ich lese grundsätzlich immer das Vorwort und diesmal hat es
sich sogar gelohnt. Danach hab ich mich von der Dystopie-Definition abgewendet
und meinen Geist für die tausend (in diesem Fall 19) Möglichkeiten der
Umsetzung hingegeben. Den Reiz machte für mich der Haken an den dystopischen
Horrorgeschichten (die sich aber nicht an die Dystopie versklaven sollten und
auch der Horror musste nicht horrormäßig Gruselig sein):
Keine Zombies! Keine Vampire!
Letzteres ist wohl sehr leicht umzusetzen, wobei die Zombies
zurzeit ja einen mega Aufschwung haben. Hört man „Kurzgeschichte, Dystopie,
Horror, all in“ denkt man doch sofort an Zombies.
Nicht? Ich schon! Und da ich selbst ein riesen Fan von
dystopischen Horrorzombieendzeit-Geschichten bin, war es natürlich nur eine
Frage der Zeit, bis ich „Mängelexemplare: Dystopia“ in die Finger bekomme.
Apokalypse oder letzte Rettung? Schultern wir den Fluchtrucksack, greifen die
Wasserflasche und machen uns auf den gefährlichen Weg!
1. Tim Svart - No. 2/209/197/613
Schwere Kost uns das gleich am Anfang. Hier wird nichts
verschönert oder angedeutet. Die Geschichte erzeugt durchweg eine bedrückende
Endzeit-Stimmung, der sich niemand entziehen kann. Bei mir kam ganz klar der dystopische
Anteil erst nach dem Ende, wie es hier steht. Denn wer weiß schon, was sich bei
den Evakuierten entwickelt? Das Ende als solches hat mich überrascht, im
Nachhinein betrachtet war es fast klar, dass es darauf hinausläuft, aber ich
hab zwischendurch keinen Gedanken daran verschwendet, denn die Atmosphäre hatte
mich einfach zu sehr gefangen.
2. Jennifer Jäger - Clara - Wissen ist Macht
Das war für mich die klarste, dystopische Geschichte in
dieser Sammlung. Die Autorin arbeitet mit vielen Interpretationsmöglichkeiten,
gerade gegen Ende hin ist viel offen. Grauenvoller Gedanke, dass das Wissen
Geld als Bezahlung ersetzt. Da schält sich eine klare Rangordnung in der
Menschheit heraus. An dieser Stelle hätte ich mir einfach nur vorab und hinten
raus etwas mehr gewünscht, die Idee als solche ist fast schon zu erschreckend
und wir sollten froh sein, dass die Autorin sie sich nur ausgedacht hat.
3. Uwe Voehl - Kreationen in Samt und Tod
Das hier ständig von „Wir“ gesprochen wird, hat mich einerseits
irritiert, andererseits hatte es einen gewissen Reiz. Ich glaube, ich habe die
Geschichte ganz anders wahrgenommen, als wenn sie normal in „Er“ oder „Ich“
geschrieben worden wäre. Wahrscheinlich hat aber genau dieser Umstand mir an
einigen Stellen den Horror genommen. Ich weiß nicht warum, aber oft hatte ich
einen verrückten Kerl vor Augen, der immer von sich in der „Wir“-Form spricht
und nervös mit den Augen zwinkert. Alles in allem erinnerte die Geschichte mich
an einen sehr blutigen Horrorfilm, der nichtsdestotrotz am Ende irgendwo
versteckt noch eine tiefergreifende Aussage hat. Man muss sie nur finden und
sich durch verrenkte Gliedmaßen wühlen und den Fliegen aus dem Weg gehen.
4. D. J. Franzen - Der Nomade
Klassische Horrorgeschichte die mich anfangs an den dritten
Teil von „Resident Evil“ erinnerte, dann an „Alien“. Hervorragend geschrieben,
Horror kam bei mir an. Ich kann gar nicht mehr sagen, ich fand sie klasse! Sehr
bildreich lief die Handlung in meinem Kopf von Anfang an rund. Was vielleicht nicht
immer von Vorteil war.
5. Jana Oltersdorff - Das Schlafende Schloss
Once there was a really spooky fairy tale ...
Eine der besten Geschichten neben „Die Gartenpforte“, die
ich von der Autorin kenne. Ihre kleine Gruselmärchen-Obsession kennen wir ja nun
schon, aber diesmal hat sie sich selbst übertroffen! Scheinbar kinderleicht
verknüpft sie den Horror mit dem Märchen, altbekanntes mit Neuem und erzeugt so
eine ganz eigene Atmosphäre, die die Geschichte durchweg innehat. Eine
Horrorgeschichte auf hohem Niveau! Denkt man am Anfang noch, dass eine neue
Gruselmärchen-Interpretation kommt, irrt man sich gewaltig!
Zwar erkennt man glasklar, welches Märchen sich hier dem
Horror beugen muss, dennoch greift Jana Oltersdorff diesmal ganz tief in die
Horrorgrusel-Kiste und überzeugt mit mehr Spannung, mehr Horror und dezentem
Ekel. Habgier ersetzt an dieser Stelle einen Großteil des Antriebs der
Protagonisten. Es geht nicht, wie in den anderen Geschichten, um das Überleben
in der zerstörten Welt. Die beängstigende Horrorwelt ist hier
begrenzt/eingegrenzt und wirkt dadurch noch gefährlich, als wenn es die ganze
Welt betreffen würde. Wie auch immer Jana das macht, aus harmlosen,
liebenswürdigen, Happy-End habenden Märchen, solche Geschichten zu erschaffen,
die voll Düsternis und Dunkelheit sind, sie soll damit nicht aufhören!!
… and the old witch still writes her creepy stories …
6. Lisanne Surborg - Rosa Schaum
Das war wohl die ekelhafteste Geschichte, hat mich aber nicht
gestört. Für mich war hier der Egoismus der Menschen in einer zerstörten Welt
besonders beeindruckend umgesetzt. Jeder ist sich selbst der nächste und doch
gibt es den einen, der hilft. Die Geschichte hat mich zum Nachdenken gebracht,
nicht jede Horrorgeschichte schafft das. Nicht immer gibt es einen Sinn hinter
den Worten, hier war er für mich klar. Hervorragende Geschichte!
7. Andreas Zwengel - Souljacker
Das einzige, was mich an dieser Geschichte gestört hat, war
der dezente Fantasy-Anteil. Jaa, jetzt kann man natürlich sagen, wozu gehören
denn Geschichten bei denen auf abstruse Art die Welt untergeht? Sagen wir es
einfach mal so: Es war eine sehr geile Dystopie-Geschichte, die für mich ihren
Reiz verlor, als die Protagonisten mit einem Fingerschnippen die Location
wechselten. Ansonsten hat für mich persönlich alles gepasst!
8. Vincent Voss - Wellen
Eine Geschichte, die zu meinen Favoriten gehört! Klassische
Weltuntergangsgeschichte, die zuerst auf die unerwünschten Zombies hinweist,
dann aber eine ganze andere, wirklich grauenvolle und verdammt realistische
Wendung annimmt. Vielleicht sollte ich diese Worte auf Papier schreiben und
nicht den PC anwerfen … und nun zwinge ich mich einfach mal, den Gedankengang
nicht weiter zu verfolgen.
9. Regina Müller - Larventräume
Dystopie der anderen Art, die vielleicht kurz vor dem
„Ausbrechen“ noch gestoppt werden kann. An einigen Stellen war ich etwas
verwirrt, allerdings löst sich alles auf und mir blieben keine unangenehmen
Fragezeichen im Kopf zurück. Wieder einmal eine Geschichte, die den Horror
dezent verpackt hat, sich dafür viel Sinn hinter den Worten versteckt. Als
Leser muss man sich nur darauf einlassen, dann regt diese Geschichte zum
Nachdenken an! Klasse!
10. Arthur Gordon Wolf - Sahnesperlinge
Ekelhaft! Genial! Verwirrend! Ganz großes Kino! Diese
Geschichte reiht sich in meine Favoritenliste ein. Klassischer Horror der
verrückten Art, trifft auf die Manipulation durch Video-Games der neuen Zeit.
Die Möglichkeiten sind so erschreckend wie gut möglich wie sicherlich schon
passiert, nur auf eine andere Art.
11. Michael Dissieux – Dagnin
Wieder eine hervorragende Endzeit-Geschichte, die mich nach
dem Lesen bedrückt zurück ließ. Hier kommt tatsächlich die „Was wäre wenn“
Frage auf und ließ mich auch erst einmal innehalten und nachdenken. Man sieht
Zombies als tote Fressmaschinen. Aber das waren sie nicht immer. Der Autor hat
erstklassig die andere Seite der Medaille beleuchtet!
12. Xander Morus - Der Vollstrecker
Wie … Was … Wer … Himmel noch eins! WAS FÜR EINE
GESCHICHTE!! Mein absoluter und mit ganz weitem Abstand zu den anderen
stehender Favorit! The Road trifft auf Mad Max trifft auf Book of Eli.
Hammergeil! Ich hab am Ende Rotz und Wasser geheult. Ob das so gewollt war,
weiß ich nicht, aber als das Fellknäuel zurück rennt, während der Vollstrecker
zurückbleibt, da konnte ich mich nicht mehr beherrschen. Um dieser Geschichte
meine volle Begeisterung zu übermitteln, fehlen mir die Worte und das will bei
uns was heißen! Solche Geschichten, nein, DIESE Geschichte möchte man gerne
vertont und in Farbe auf dem TV sehen! Ganz, ganz großes Kino, Herr Morus!
13. Thomas Backus - Schicksal
Hm. Hier fehlen mir auch die Worte, allerdings nicht weil
ich so geflasht bin, wie von dem Vorgänger. Viele Interpretationsmöglichkeiten.
Reden wir wirklich von Tieren oder das ist nur eine Metapher?
14. Constantin Dupien - Das Ende
Und wieder ein Kandidat für meine Favoritenliste. Ich kenne
eine andere Kurzgeschichte von dem Autor, die mir allerdings gar nicht zusagte.
Deswegen war ich etwas verhalten, als ich zu dieser hier kam. Aber alle
Bedenken waren umsonst! Hervorragende Endzeit-Geschichte die mich dennoch
bedrückt zurück ließ. Ist das wirklich Einbildung am Ende? Klopft niemand? Sind
die Laser schlecht oder sind sie das nur, weil es alle sagen? Welche Art von
Menschen wir aussortiert? Verschwinden sie wirklich? Ja, das sind eine Menge
Fragen, die ich am Ende hatte, aber ich hab nicht das Gefühl, das der Autor
diese noch in der Geschichte beantworten muss, denn das muss ich als Leser für
mich selbst machen. Constantin Dupien gab mir ein Bild, nun muss ich damit
arbeiten.
15. Moe Teratos - Die Schrecken
Herrgott, wo hat denn der Herausgeber diese ganzen genialen
Autoren ausgegraben? Grandioses Endzeit-Szenario und nicht mal weit hergeholt!
Ich bin begeistert und gehe mit Vorsicht in das Einkaufscenter um die Ecke.
Hier wird dem Leser auf eine besonders Eindrucksvolle Art und Weise gezeigt,
dass es nur einen einzigen braucht, der aufbegehrt. Im Grunde ist hier auch eine
Möglichkeit der Dystopie gegeben.
16. Stefanie Maucher - Ella
Dystopie der klassischen Art und wieder doch nicht. In
dieser Geschichte bekommt man, wenn auch kurz, einen Blick auf beide Seiten
gewährt. Die, die denken sie machen alles richtig und die, die zeigen, dass es
nicht richtig ist, was die Oberen der Stadt machen. Eigentlich sogar drei
Seiten, denn es zeigt auch die Manipulation des Einzelnen. Sehr gute
Geschichte, die mich von Anfang bis Ende überzeugen konnte.
17. Manfred Schnitzler - Der rote Tod
Was passiert, wenn die Welt vor die Hunde geht und niemand
einen Blick auf die kleinen Dörfer wirft? Genau! Alles geht den Bach runter.
Ich weiß nicht genau, wie ich das Ende interpretieren soll. Ist es genau so,
wie es da steht? Dann finde ich es seltsam. Ist es nur eine Beschreibung, ein
Bild dafür, wie ein Wirt besetzt wird? Dann ist genial. Auch nach einigen Tagen
grübeln, bin ich mir da nicht so einig drüber, deswegen lasse ich das einfach
mal so stehen.
18. Markus K. Korb - Rattenjagd
Und wieder eine Dystopie, die sich sehen lassen kann.
Schmutzig, dreckig, in den untersten Schichten wühlend, so mag ich solche
Geschichten. Wir bekommen das Umdenken mit, und die klassische Dystopie nimmt
ihren Lauf. Nun stellt sich dem Leser nur eine Frage: Was macht der Held mit
seinem Wissen? Hervorragend geschrieben und umgesetzt!
19. Torsten Scheib - Göttersturz (Leseprobe zur
Mängelexemplare-Novelle)
Ich weiß nicht mehr genau, wann ich diese Rezension geschrieben habe, ich weiß nur, DAS ICH ENDLICH DAS BUCH LESEN KANN! Hat ja lang genug gedauert, mein Lieber! :-D
Ich weiß nicht mehr genau, wann ich diese Rezension geschrieben habe, ich weiß nur, DAS ICH ENDLICH DAS BUCH LESEN KANN! Hat ja lang genug gedauert, mein Lieber! :-D
Ich hab mir die Leseprobe auch durchgelesen und muss sagen:
Hätte ich es mal nicht gemacht! Jetzt muss ich wissen, wie es weiter geht! Was
für eine geniale Idee für eine Endzeit/Dystopie/Horror-Was auch
immer-Geschichte! Es ist eine Leseprobe, deswegen will ich da gar nicht viel zu
sagen, aber ich denke es spricht für sich wenn ich nun mehr als ungeduldig auf
den Rest warte!
Fazit
Bei dieser Anthologie muss man sich als Leser keinen
Gedanken machen, ob die „Schreibe“ stimmt, ob der Autor Ahnung hat von dem was
er da tut und ob die Geschichten überhaupt überzeugen. Der Herausgeber hat hier
die Besten der Besten aufgetan und die komplette Sammlung überzeugt mit einem
durchweg überdurchschnittlichen Geschichtenniveau! Einige Namen kennt man
natürlich und ich habe an dieser Stelle auch sehr hohe Erwartungen gehabt.
Ich wurde nicht enttäuscht und meine Favoritenliste spricht
für sich. Dieses Buch gehört in jedes Buchregal, wenn man Dystopie/Endzeit
Geschichten zu seinem bevorzugten Lesegenre zählt. Und alle anderen: Herrgott!
Lest diese Geschichten! Hammermäßige Endzeit-Ideen paaren sich mit klassischen
und unkonventionellen Umsetzungsmethoden!
Bewertung
Was bleibt mir noch zu sagen? „Mängelexemplare: Dystopia“
hat mich emotional, sowie nervlich vollkommen ausgesaugt und als erschütterte,
vollends verängstigte „Ich muss mich sofort in meinen Luftschutzbunker mit
Nahrungsmitteln für 100 Jahre zurückziehen“-Leserin zurückgelassen. Vielleicht
sollte ich aus diesem Grund gar keine Marken vergeben? Allerdings kann ich das
diesen genialen, grandiosen und verdammt hervorragenden AutorenInnen nicht
antun. Dementsprechend gibt es 5 von 5 Marken. Ganz ohne Schmutz, Dreck oder
Blut. Einfach so. Ohne das ihr das System stürzen müsst.
Klappentext:
Mängelexemplare: Dystopia - Neunzehn Autoren blicken in eine Zukunft, in der die Menschheit am Abgrund steht. Schreckensvisionen, die bald Realität werden könnten."Das in der allgegenwärtigen Hitze verdunstende Wasser hatte die Luftfeuchtigkeit bis ins Unerträgliche gesteigert. Metall rostete um ein Vielfaches schneller, als sie es aus der alten Welt kannten. Metallhaltiges Gestein nahm eine rostrote Farbe an. Ein optisches Phänomen, das durch das blutrote Licht einer sterbenden Sonne noch weiter verstärkt wurde. Selbst das den Himmel reflektierende Meer wirkte wie eine an den Rändern überkochende Blutsuppe, die im feinen Sand am Fuß des Berges versickerte und eine rötliche Algenschicht zurückließ."
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