[old but gold]
Inhalt/Meinung
Zuerst einmal ein herzliches Dankeschön an Susanne Gerdom für das Rezensionsexemplar und den Zugang in eine fantastische Welt voller toller Geschichten. „Projekt Armageddon“ ist das erste Buch, das ich von der Autorin lesen durfte. Ich wusste nicht, was auf mich zukommt und wurde dadurch einige Male wirklich überrascht. Ob das positiv oder negativ war, könnt ihr nun nachlesen.
Die Geschichte beginnt mit einem Treffen alter und neuer Freunde, die in irgendeiner Art zusammenhängen, etwas miteinander zu tun haben oder sich eigentlich gar nicht kennen. Die ersten ca. 25% der Geschichte waren Verwirrung pur. Das legt sich aber recht schnell wieder. Nach und nach findet alles seinen Platz und fügt sich auch mit dem seltsamen Anfang schnell wieder ein. Oder sorgt so für noch mehr Fragezeichen in den Köpfen der Leser. Verwirrend? Ja mag, sein. Aber die ganze Geschichte ist geprägt durch interessante Verwirrspiele, was meine Neugier nur angeheizt hat. Keine Sorge, es ergibt alles einen Sinn.
Das Hauptaugenmerk liegt bei den nordischen Göttern und auch wenn ich dort keine Expertin bin, habe ich die Zusammenhänge verstanden. Susanne Gerdom versteht es, die verzweigten Lebensgeschichteen der einzelnen Gottheiten dem Leser näher zu bringen, ohne dabei lehrerhaft zu wirken. Auf der letzten Seite hat sie die Fachbegriffe & Fremdwörter für ihre Leser in Form einen kleinen Lexikons zusammengestellt, sodass man auch dort problemlos alles nachschlagen kann. Ich musste also nie befürchten, in der nordischen Götterwelt ausgeschlossen zu werden. Aber das ist noch lange nicht alles. Gekonnt werden durch sie die nordischen Götter mit den himmlischen Heerscharen und ihren eigenen Widersachern verbunden.
Es wirkt wirklich, als hätte die Autorin die ganzen Verbindungen locker aus dem Ärmel geschüttelt. Und genau daran merkt man, dass das sicherlich nicht der Fall war. Hier steckt viel Arbeit dahinter und ich muss einfach noch mal erwähnen, wie beeindruckt ich von der Recherche und deren Einarbeitung in die Geschichte war.
Aufgeteilt ist die Geschichte im Grunde in zwei Haupthandlungsstränge. Ash, die Hauptprotagonistin und die Geschichte vom Wanderer. Als Leser begleite ich as Leseri beide auf ihrer Reise, die, so erscheint es jedenfalls, in vollkommen unterschiedliche Richtungen geht. Beide verfolgen ihre eigenen Ziele und so wie es anfangs erscheint, sind die Ziele auch nicht miteinander kombinierbar.
Stück für Stück erfährt man bei der Geschichte des Wanderers die Geschehnisse der nordischen Gottheiten, bekommt einen Einblick in die zwischenmenschlichen Beziehungen der Götter und wer vielleicht noch aktuell ist.
Bei Ash wiederrum dreht sich alles um Himmel und Hölle, wenn man es so nennen will. Sie stirbt, mehrfach, und ist dadurch ein Engel, irgendwie, und ich bekam einen recht amüsanten Einblick in den Ablauf des Lebens nach dem Tod. Während des Lesens konnte ich mir nicht vorstellen, wie diese zwei doch recht verschiedenen Welten zusammenpassen könnten. Doch auch hier lehrte mich die Autorin, dass es geht, sogar sehr gut.
Ashley Hjördis Fraxinus, kurz Ash, ist dem Leser Anfangs ein Rätsel, bleibt es auch im Mittelteil der Geschichte und überrascht bis zum Schluss mit ihren Handlungen und der eigenen Vergangenheit. Wirkt sie am Anfang noch wie eine sitzengelassene, wütende Ex-Freundin eines eventuell mächtigen Mannes, zeigt sich, dass hinter alldem noch so viel mehr stecken könnte.
Da sie nach ihrem Tod selbst nicht mehr weiß, wer genau sie eigentlich war, lernt sie sich und auch der Leser mit ihr ganz neu kennen. Das sie anders ist als die anderen „Verstorbenen“ im Limbus untermauert die Autorin nicht nur durch die Charakterzüge ihrer Protagonistin sondern auch mit Ash´s hitzigen Handlungen, die sie selbst und auch andere oftmals in Schwierigkeiten bringen.
Ash wird als Spielball zwischen den großen Herrschern hin und her geworfen. Da sie nicht weiß, was genau im Limbus und in der Zentrale eigentlich abläuft, macht sie das, was man ihr sagt. Meistens jedenfalls. Das erstaunliche an Ash ist, dass sie dennoch immer ihrer Meinung und ihren Prinzipien treu bleibt. Sie verfolgt ein Ziel, auch wenn sie dieses kurzzeitig aus den Augen verloren hat. Ash weiß nicht, dass aber während der ganzen Zeit stets Augen auf sie gerichtet sind, die jeden ihrer Schritte beobachten. Jemand (be)schützt sie und trotz ihrer doch recht ruppigen Art, macht sie sich überall sehr schnell Freunde. Im Grunde ist Ash ein etwas zwiegespaltener Charakter.
Über eine recht große Zeitspanne im Buch macht sie einfach nur das, was sie eben machen soll, anstatt selbst in Aktion zu treten. Sie ist vorlaut, nicht auf den Mund gefallen und akzeptiert aber irgendwann ihr tristes Dasein im ewigen Tod. Dennoch spürt sie, dass da mehr ist, mehr sein muss und es bedarf nur eines kleinen Anstoßes, damit Ash ihr Schicksal in die Hand nimmt.
Der Wanderer ist da schon ein anderes Kaliber. Ihn mit mürrisch zu bezeichnen, ist als wollte man Luzifer mit einer Elfe vergleichen. Anfang vollkommen unklar, wer er ist und was er vorhat, kommen in jedem Kapitel neue Puzzleteile dazu. Es dauert wirklich lange, bis sich ein ganzes Bild zusammengesetzt hat und man die Beweggründe richtig versteht. Die Kapitel, die vom Wanderer und den nordischen Gottheiten handeln haben mich ein bisschen an „Herr der Ringe“ erinnert, in Bezug auf die sprachliche Art und die Schreibweise. Denkt der Leser aber am Anfang, dass es nur um die Götter geht, irrt er sich gewaltig.
Der Wanderer ist nur ein weiterer Ball in dem Spiel von Susanne Gerdom und ihrem „Projekt Armageddon“. Ein weiterer, sehr wichtiger Charakter war Macnamara, kurz Mac genannt. Erinnerte hin und wieder ein bisschen an einen alten, verlebten Privatdetektiv, aus dem ich fast bis zum Schluss überhaupt nicht schlau geworden bin. Die Autorin hat bei ihm wirklich ganze Arbeit geleistet, denn er ist nicht nur mysteriös, sondern auch noch heiß.
Mac erscheint wie eine nette Nebenfigur, ein Lehrmeister, der bewusst oder unbewusst dabei hilft, Ash auf ihren Weg zu bringen. Natürlich überrascht Susanne Gerdom auch hier den Leser mit vollkommen unerwarteten Wendungen, die Mac in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. Er ist im Auftrag vom PLAN unterwegs und muss in der Zentrale Akten wälzen.
Natürlich darf ich Ravi Surya Malhotra, kurz Ravi, nicht vergessen. Er und Ash´s Leben sind sozusagen der anfängliche Leitfaden der Geschichte. Man merkt sofort, dass er seine familiären Pflichten sehr ernst nimmt, was dazu führt, dass er stirbt. Zusammen mit Ash landet er im Limbus. Allerdings wird er zu den himmlischen Heerscharen sortiert, während Ash auf dem Schlachtfeld die schwarzen Flügel trägt. Nachdem er sich irgendwie erinnert, Ash zu kennen, endet dieses Zusammentreffen wieder einmal im Tod. Sofern man noch sterben kann, wenn man Tod ist. Ravi wird Mac als Anwärter zugeteilt und trifft so wieder auf Ash. Während des weiteren Verlaufes der Handlung gerät Ravi immer weiter in die Rolle einer, vielleicht sogar, unwichtigen Nebenfigur, die eben einfach noch da ist, weil man sie nicht einfach sterben lassen kann. Er ist schließlich schon Tod. Wirkt er am Anfang wie ein Mann, der weiß was er will, verfällt er im letzten Drittel eher in die Figur eines kleinen, süßen Engels, der nichts und niemandem etwas anhaben kann. Er kann nicht fluchen und wirkt durch seine Unbedarftheit sehr weich. Ich hatte hin und wieder das Bedürfnis, ihm über die Haare zu streichen und seine Wange zu tätscheln. Fast schon hilflos muss er zusehen, wie die Geschichte ohne sein zu tun weiter geht. Aber die ganze Entwicklung passt zum Ablauf der Geschichte. Ravi ist genauso, wie er sein muss um der Geschichte die richtige Spannung zu verpassen und dem Ende entgegen zu arbeiten.
Der PLAN sorgt dafür, dass alles gerecht auf dem Limbus und dem immerwährenden Kampf zwischen Gut und Böse abläuft. Jedenfalls mal grob gesagt.
Die Zentrale ist so etwas wie die Verwaltung für alle Engel und andere Wesen. Sie koordinieren die Wechsel zwischen den einzelnen Stationen, archivieren Zu- und Abgänge vom Limbus und noch eine Handvoll andere Sachen.
Es war wirklich faszinierend, wie glaubhaft die Welt & Sprache der Götter von der Autorin aufs Papier gesetzt und mir vorgestellt wurde. Hier bedurfte es sicherlich einer Menge an Recherche und vor allem eine Anpassung des eigenen Schreibstils, um alldem gerecht zu werden. Das alles aber brachte die Autorin problemlos auf die Seiten und war wohl mit Abstand einer der größten Pluspunkte der ganzen Geschichte.
Denn nicht nur sprachlich unterscheiden sich die zwei Geschichtsstränge, die Autorin zeigte mir auch in den Orten, den agierenden Figuren und im Dialog, dass hier verschiedene Welten aufeinander treffen. Oder zumindest nebenher existieren.
Besonders erwähnenswert und ein weiterer richtig dicker Pluspunkt ist die nicht vorhandene Liebesgeschichte zwischen Ash und Ravi. Anfangs ein Paar, wenn auch getrennt, finden sie sich zwar auf dem Schlachtfeld der Engel wieder, erinnern sich aber nicht, was genau zwischen ihnen war. Nachdem sie wieder gestorben sind, treffen sie in der Zentrale aufeinander und finden nach einiger Zeit heraus, dass sie wohl im Leben mal zusammen gewesen sein müssen.
Während Ravi so etwas wie Ehrgefühl empfindet und mit Ash wieder anbandeln würde, ist Ash sich ihren Gefühlen vollkommen klar und möchte nicht wieder auf das Vergangene zwischen den beiden zurückgreifen. Ich empfand es wirklich als richtig, richtig erfrischend, das diese ganze „Liebe bis über den Tod hinaus“ Sache nicht im geringsten im Vordergrund steht und während des Handlungsverlaufes aufgelöst wird.
Ja, die Zwei treffen immer wieder auf einander, aber als Freunde und das hat die Autorin fantastisch herüber gebracht. Natürlich gibt es eine Liebesgeschichte, aber die kommt so leise zwischen den Zeilen hervorgekrochen, dass man ihr ganzes Ausmaß wirklich erst am Ende begreift. Das macht es umso schöner, es zu genießen.
Wenn der Leser denkt, die Autorin schafft keine Überraschungen mehr, da innerhalb der Geschichte schon einige aufgetaucht sind, der irrt sich gewaltig. Das Ende überrascht mit vollkommen anderen Wendungen, die dann alles auflösen, mit Ereignissen die in keiner Weise vorhersehbar waren und lässt dem Leser aber zeitgleich noch genug Spielraum für eigene Interpretationen.
Zu kritisieren gibt es aber leider auch etwas: Zum einen fand ich es doch recht seltsam, dass die gute Ash ständig mit irgendwem was am Laufen hatte. Die „Sex“-Szenen waren subtil und wurden nie wirklich „direkt“ ausgeschrieben, es kamen auch nur ein paar vor. Aber die ständigen Andeutungen, dass sie mit dem was hat oder mit diesem haben wird, passten nicht wirklich rein.
Es war meiner Meinung nach manchmal auch irgendwie überflüssig, da „dort“ keine
Gefühle herrschten. Hätte sie das alles nur gemacht, um eben Gefühle zu spüren,
hätte ich es ja noch irgendwie nachvollziehen können. Aber Ash war
„nur“ kalt.
Was ich damit sagen will: Wären diese Szenen nicht gewesen, hätte das den Handlungsablauf nicht beeinträchtigt. Für den einen kann die Geschichte zu viel sein, für den anderen „zu“ götterhaft, bei jemandem anders passt die Handlung an sich nicht.
Vor dem Kauf/Lesen sollte dem Leser auf alle Fälle bewusst sein, dass diese Geschichte nicht für jeden etwas sein wird. Also darf man am Ende nicht enttäuscht sein, wenn man bereits im Vorfeld weiß, dass es sich nicht um das üblich gelesene Genre handelt.
Denn auch wenn es einem nicht zusagt, ist die Geschichte lobenswert, die Recherche vorbildhaft und vor allem bietet die Autorin hier ihren Lesern etwas wirklich Einzigartiges, das man nicht überall zu lesen bekommt. Der Leser muss offen für dieses Genre sein und sich darauf einlassen, dann geschieht der Rest wie von selbst und man wird schneller als einem lieb ist von Susanne Gerdoms geschrieben Worten mitgerissen und bis zum Ende auch nicht mehr aus den Augen gelassen.
Fazit
Wieder ein Qindie-Buch, das überzeugte und mit erfrischendem Inhalt, sehr guter Recherche und neuer Idee einfach nicht mehr aus den Kopf gehen möchte. Susanne Gerdoms „Projekt Armageddon“ war für mich persönlich ein Paradebeispiel für das perfekte Zusammenspiel zwischen Recherche, charakteristische Entwicklungen und Ausarbeitungen sowie in sich zusammengehörende Zusammenhänge, die bis zum Schluss hin mit ständigen Überraschungsmomenten glänzte.
(zuerst erschienen auf ehemals Inflagranti Books)
(Das Copyright von zitierten Texten, Bildern und Illustrationen liegt bei den Verlagen, Autoren und/oder den Illustrationen, die im Impressum erwähnt werden. Das Copyright der Rezensionen liegt bei mir. Zitate an anderen Stellen nur mit meiner ausdrücklichen Erlaubnis.)
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