Donnerstag, 29. Juni 2017

HORRORWOCHE Tag 4: Interview mit Constantin Dupien




Sollte ich es wirklich wagen? Sollte ich mich in die Dunkelheit begeben, nicht wissend, was mich dort erwartete? Je länger ich in den schwarzen Bereich im Flur starte, desto sicherer war ich mir, dass dort etwas stand. Jemand stand. Meine Härchen stellten sich auf, meine Hände schwitzten und mein Herz raste. Ich schloss den Mund um nicht so laut zu atmen, was natürlich quatsch war. Würde dort wirkich jemand stehen, hätte dieser jemand mich schon lange gesehen.
Mein rationaler Verstand sagte mir, ich sollte umdrehen und gehen. Ich würde mich selbst in diesen latenten Angstzustand verstetzen, einfach weil ich wollte, dass dieses alte Haus mich gruselte. Ich stand in einer Ruine, in der hier oben nun mal einfach kein Fenster war um Licht reinzubringen. Wahrscheinlich mussten die Bewohner früher immer eine Lampe an der Wand anschalten.
Nur langsam beruhigte sich mein Körper. Ich streckte die rechte Hand aus und glitt mit den Fingern an der rauen Tapette entlang, bis ich abermals auf eine geschlossene Tür traf.
Mit Schwung und ohne zu überlegen öffnete ich sie, denn noch immer gab es eine dunkle Ecke im Flur. Und noch immer glaubte ich, Blicke auf mir zu spüren.
In dem Zimmer schien Licht. Nein, die Sonne schien durch das kaputte Fenster. Ich sah die Kastanienbäume, zwischen den Blättern die Felder. Aber noch immer hörte ich keine Vögel. Wahrscheinlich war es mittlerweile zu spät für die einheimischen Vögel, redete ich mir ein und sah mich im Raum um. Bis auf eine Kommode fand ich nichts darin und auch diese hatte keine Schubladen mehr, in welche ich hätte blicken können. Daneben lag eine alte, graue Decke.
Enttäuscht drehte ich mich um und erstarrte. Die gegenüberliegende Wand war von oben bis unten beschrieben. In dieser krackeligen Schrift, die auch schon auf dem Papier zu lesen war.
Ich trat mit dem Rücken an die Kommode und begann zu lesen.


* * *




Die Mängelexemplare haben es sich auf die Fahnen geschrieben, stets mit jeder weiteren Ausgabe etwas Neues zu bieten, das sich von den vorherigen Veröffentlichungen abhebt. Sich also auf bewährten Konzepten auszuruhen, ist nicht! Den Anspruch stelle ich als Herausgeber an mich selbst.
Und mit jeder Ausgabe ist es mir bisher, denke ich, stets sehr gutgelungen, die Leser zu überraschen und etwas völlig Eigenständiges innerhalb eines wiedererkennbaren Kosmos zu schaffen. Band Eins ist ja richtiggehend als Genre-Bastard zu bezeichnen, da gibt es eine bunte Mischung aus Horror, Science-Fiction, Satirischem und sogar zwei Krimis – alles vereint unter dem verbindenden Deckmantel des Makabren. Band Zwei widmete sich dem Ende der Welt, in allen möglichen und unmöglichen Facetten. Die dritte und vierte Ausgabe thematisieren das klassische Thema Spuk- und Geistergeschichte, wobei sich der letztere Band dadurch einmalig abhebt, dass ich mich dazu entschieden habe, es mal mit Novellen zu probieren, miteinander verknüpft durch Lyrik und eine tolle Liebesgeschichte, die das Spukthema nur leicht anschneidet, aber einfach wunderschön geschrieben und spannend zugleich ist.
Dass das Gesamtkonzept funktionieren und trotz unterschiedlicher Ansätze ein gewisses Klientel über Jahre ansprechen kann, zeigen die durchweg sehr guten Rezensionen. Und ein besonderer Gradmesser ist zudem der deutsche Horror Award Vincent Preis. Alle vier Mängelexemplare-Bücher wurden prämiert, teilweise sogar mehrfach. In den vergangen drei Jahren konnten wir, die Mängelexemplare-Familie sogar jeweils die Kategorie „Beste Anthologie“ für uns entscheiden, auch nach der Anpassung des Wahlverfahrens hin zu einem allgemeinen Publikumspreis. Das ist eine tolle Bestätigung für unsere Arbeit.
Die Mängelexemplare sind gewissermaßen auch ein Spiegelbild meiner eigenen Interessen und Vorlieben, denn ich veröffentliche nur zu Themen, die mich selbst begeistern. Diese Facetten finden sich auch in meinen eigenen Geschichten wieder. Makabres, Science-Fiction, trashiger Horror, Philosophisches, Endzeitgrauen und Spukgeschichten sowie klassische Detektivermittlungsarbeit. Dafür habe ich ein Faible und das sind auch die Motive, über die ich nur zu gern fabuliere.
Wieder zu den Anthologien: Ich mache Bücher, die mir gefallen, und wähle Themen und Autoren nicht danach aus, wie erfolgsversprechend sie sind. Anders könnte ich auch nicht erklären, wieso ich eine Anthologie mit Novellen gemacht habe. Das sind eigentlich zwei Begriffe, die hohe Verkaufszahlen in Deutschland von vornherein ausschließen. Trotzdem gab es wieder positives Feedback vom Verlag, den beteiligten Autoren und, am wichtigsten, von den Lesern.
Ich freue mich übrigens riesig, dass der Amrûn Verlag so viel Vertrauen in die Reihe setzt, obwohl es sicherlich lukrativere Projekte gibt.
Die Mängelexemplare werden übrigens gerade auf ganz neue Bahnen gelenkt: Die Reihe wird in Zukunft ausschließlich (zumindest vorerst) in Romanform fortgesetzt. Torsten Scheibs famoses „Götterschlacht“ steht ja bereits in den Startlöchern. Mit so einer Entwicklung hättet ihr alle nicht gerechnet, oder ;-)?


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Ich bin, was das Schreiben anbelangt, gewissermaßen ein Spätstarter. Viele Autoren berichten ja, dass sie von Kindesbeinen an nicht ohne Stift und Papier leben konnten. Bei mir war das anders. Ich habe als Kind zwar sehr gerne und viel gelesen, jedoch außerhalb der Schule nicht geschrieben. Das Schreiben habe ich erst vor etwa fünf, sechs Jahren für mich entdeckt, so genau kann ich nicht einmal benennen, wie es dazu kam.

Als Fan von Edgar Allan Poe habe ich mich natürlich zuerst an der hohen Kunst der Kurzgeschichte probiert und bin dort viel länger hängengeblieben als ursprünglich gedacht.

Herausgeber bin ich wahrscheinlich eher zufällig geworden. Vielleicht hat „es“ mich ja auch gefunden, weil ich so viel Freude daran finde, Leute für Ideen zu begeistern, Menschen auf kreativer Ebene zusammenzubringen und Projekte zu koordinieren und umzusetzen. Es macht einfach Spaß, phantasievolle Geister bei ihrem Schaffensprozess zu begleiten und auf diesem Weg zu begleiten und in gewisser Weise und an manchen Stellen auch zu führen, wo ich kann. Wichtig ist es mir auch stets, junge Nachwuchsautoren zu fördern und sie mit den Alteingesessenen zusammenzubringen. Dieser Austausch ist einfach genial und macht mega viel Spaß. Übrigens ist es leichter, an die großen der Szene heranzukommen, als man denkt. Ich habe hier viele positive Reaktionen und lange Brief (E-Mail-)Wechsel, die mein eigenes Schaffen stark beeinflusst haben. Man muss sich nur trauen, die richtigen Leute einfach anzusprechen.

Großer Dank gilt auf jeden Fall meiner lieben Freundin Reni Zawrel, die mich an das Herausgeben herangeführt hat, und an Carmen und Claudi, von denen ich gerade in den ersten Jahren viel Lob und Mut zugesprochen bekommen sowie konstruktive Kritik erhalten habe. Das werde ich nie vergessen.


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Puh, das ist eine gute Frage. Ich glaube, Herausgeber zu sein, macht mir insgeheim mehr Spaß. Stolzer machen mich jedoch Projekte, die ich in kompletter Eigenregie umgesetzt habe, wobei mein erster Roman ja eine gleichwertige (kongeniale? :-) ) Zusammenarbeit mit meinem Lieblingsautor Vincent Voss ist. Missen möchte ich weder das Schreiben noch das Herausgeben. Da ich keinen finanziellen Druck habe, mit dem Veröffentlichen nichts verdienen muss - und zur Zeit auch gar nicht möchte -, bin ich in der luxuriösen Situation, beiden Leidenschaften gleichermaßen frönen zu können. 


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Das ist so nicht ganz richtig. Klar, der Großteil meiner Geschichten spielt im Horrorbereich, aber darauf möchte ich mich keineswegs festlegen. So durchziehen meine Geschichten oft ja auch ganz andere Themen, wo der Horror in den Hintergrund rückt. Liebe, als eine der stärksten und vor allem ausdrucksstärksten Emotionen ist zum Beispiel ein Motiv, das ich sehr häufig aufgreife. Einfach weil es Auslöser und Beweggrund für so vieles ist, sei es nun absolut guter oder abgrundtief böser Natur. So sind auch schon Geschichten entstanden, die völlig horrorfrei sind. Unabhängig von bestimmten wiederkehrenden Motiven bewege ich mich zudem sehr gern in den Genres Science-Fiction und - zukünftig sicher auch verstärkt - in der Detektivgeschichte.

Witzigerweise lese ich selbst ja gar nicht soooo viel Horror bzw. Phantastik. Klassische Detektivgeschichten haben es mir noch viel mehr angetan.


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Irgendwann möchte ich mich selbst einmal an eine richtige old school Krimigeschichte heranwagen. So richtig schön ursprünglich mit einem locked-door-mystery und einem starken, alles überragenden Ermittler, der mittels Deduktion dem Täter auf die Schliche kommt.

Aber zuerst einmal steht die Arbeit an meinem neuen Roman im Vordergrund. Eine Endzeitgeschichte, bei der die Protagonisten über mehrere Stationen in ihrem Leben begleitet werden, während auf dem Planeten die Kacke gerade so richtig am Dampfen ist. Das macht viel Spaß, ist durch verschiedene Zeitsprünge und Handlungsstränge jedoch gleichermaßen auch eine große Herausforderung. Ich denke, das wird mich noch das gesamte Jahr über beschäftigen. Ich habe ja für mich beschlossen, das Schreiben an zweite Stelle in der Kategorie Hobbys zu stellen, hinter dem Sport. 

Dieses Jahr erschienen aber immerhin noch zwei Kurzgeschichten, meine Leser sitzen also nicht auf dem Trockenen.

Ich danke herzlich für das Interview.


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Hatte ein verwirrter Mensch einen inneren Dialog an die Wand geschmiert? Sollte mich das Gekritzel vor etwas warnen? Hauste hier ein übergeschnappter Autor, dessen Geschichten ihm zu Kopf gestiegen waren?
Verwirrt, ob der Möglichkeiten trat ich an das Fenster und genoss die Wärme, die die Sonne doch noch immer abgab. Erstaunt beugte ich mich nach vorn. War da gerade jemand in das Haus gegangen? Ich hatte etwas rotes aufblitzen sehen. Oder spielten meine überreizten Sinne mir einen Streich?
Ich lauschte. Drehte den Kopf Richtung Flur.
Und dann sah ich es!

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HIER geht es zur FB-Veranstaltung! Dort habt ihr heute die Möglichkeit, einigen Autoren der Mängelexemplare Löcher in den Bauch zu fragen. ^^
Wenn ihr wissen wollt, was der Gute hier gesehen hat, schaut morgen wieder vorbei! 

Danke an Constantin, der sich meinen Fragen gestellt hat, ohne sich zu gruseln! Oder zu beschweren. ... Jedenfalls nicht laut. :-D 


Liebe Grüße und bis morgen!
Tilly und ... *nuschelt*










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