[Old but gold]
Inhalt/Meinung
Alexander Odin
schafft einen postapokalyptischen Roman, der auf eine erschreckende Weise fast
schon zu Real wirkt. Er spielt mitten in Berlin, unserer Hauptstadt und jeder
hat schon mindestens einmal von einem der Schauplätze gehört, wenn man nicht
sogar selbst da gewesen ist. Was in meinen Augen das Kopfkino beim Lesen noch
mehr anheizt. Das Bekannte gepaart mit dem Unbekannten, Unvorstellbaren. Das
ist der erste und wahrscheinlich auch größte Pluspunkt: dass die Geschichte in
Deutschland, Berlin spielt.
Die Figuren sind
Leute wie du und ich. Allerweltsgesichter, unscheinbar und im Grunde nichts
besonders. Und genau das, macht sie so glaubwürdig. Das ist der zweite
Pluspunkt. Die Normalität, welche die einzelnen, handelnden Personen
ausstrahlen. Als Leser kann man sich in fast jeden der Protagonisten
hineinversetzen. Meistens nimmt man ihnen ohne Zweifel ihr Handeln in den
gegebenen Situationen ab und bewundert deren Mut.
Der arbeitslose
Trinker, der verkorkste Rentner und der liebestolle Teenager, neben den
alltäglichen Problemen unserer Gesellschaft. Eine gescheiterte Ehe, finanzielle
Probleme und Feinde, die man sich in der Dauer seines Daseins zugelegt hat.
Allerdings hat der
Autor mit der Normalität und fast schon übertrieben. Naomi, die weibliche
Hauptprotagonistin, wirkt so entrückt von der Welt, dass es in vielen
Situationen so erscheint, als wäre ihr im Grunde eigentlich alles egal. Die
Welt geht vor die Hunde, und sie beschützt ihr Buch mit den Informationen über
ihre Mitmenschen. In den seltensten Fällen dringen Emotionen durch ihre harte
Schale. Sie wirkt wie ein Mitläufer der Geschichte, obwohl sie eigentlich handlungsweisend
ist. Gleichzeitig bewältigt sie das Trauma um den Tod ihres Vaters, gibt der
Mutter die Schuld daran, dass der Mann eine neue Freundin hatte und die Familie
verlassen hat. Und trotz alledem reist sie in infiziertes Gebiet, um ihre
Mutter zu retten. Es ist ein sehr gewagter Gefühlsspagat den der Autor uns hier
präsentiert, aber in den meisten Situationen funktioniert er. Obwohl Naomi
oftmals ein wenig ernüchternd wirkt, nimmt man ihr doch die typische
Sechzehnjährige unserer Zeit ab und sie macht das, was von ihr in einer toten
Welt verlangt wird. Sie kämpft, aber eben auf ihre Weise. Leider sind ihre
Gedankengänge nicht immer nachvollziehbar. Sie macht sich Sorgen um ihre
Nachbarin, erkundigt sich aber nicht nach ihr.
Jimmy, der
egoistische Drogendealer und Alleinkämpfer, ist die flachste und überflüssigste
Figur in der Geschichte. Am Ende stirbt er, ohne Eindruck zu hinterlassen.
Anders als bei Naomi, deren Rolle erst am Ende klar definiert ist, ist Jimmy
einfach nur da. Er ballert durch die Gegend, schleppt seinen Aktenkoffer voll
Drogen mit sich rum und meckert, was das Zeug hält. Er ist zwar der
Aufmerksamste von der kleinen Gruppe, die sich durch Berlin schlägt, aber ich
denke, das hätte man auch anders lösen können. Das Einzige, was wirklich gut an
der Figur ist, er bleibt der Böse. Von Anfang an macht der Autor kein Geheimnis
daraus, dass Jimmy einfach nur ein Arsch ist. Keinerlei Mitgefühl außer für
sich. Und am Ende stirbt er genau in dieser Rolle, ohne vorher noch eine
allumfassende gute Tat vollbracht zu haben. Alexander Odin versucht zwar, durch
ein paar Geschichten von dem gewalttätigen Vater der Figur Tiefe zu verleihen,
aber das wirkt eher gezwungen und verschlechtert im Grunde nur das Gesamtbild.
Herr Witter, der
Rentner mit dem Gehirntumor und ohne Gefühle für seine Frau oder sonst wen,
sieht Wolken über den Menschen. Seine Rolle in der Geschichte ist verwirrend,
aber dennoch klar strukturiert. Er gibt dem Bösen, das für die Wandlung in
Untote sorgt ein Gesicht, beschreibt es und verleiht dem ganzen einen seltsamen
Schrecken, denn außer ihm sieht niemand sonst, das Böse oder den Virus der sich
in den Menschen festsetzt und sie von Grund auf ändert. Diese Figur wächst über
sich hinaus und merkt am Ende, das es noch mehr gibt, als nur Arbeit und Tod.
Naomis Mutter und
ihr verliebter Freund Rafael laufen eigentlich nur so am Rande mit. Was Rafael
für eine Rolle spielt, wird bis zum Ende hin eigentlich nicht klar. Naomi
findet zwar ihre Gefühle für ihn, aber die Geschichte wäre auch ohne verliebte
Teenager ausgekommen.
Die Mutter ist
verbittert und funktioniert nur noch, bis zu dem Zeitpunkt, als sie von ihrer
Tochter gerettet wird. Und das, obwohl sie infiziert ist. Sie weiß, dass sie
sterben wird, und ist ihrer Tochter dennoch eine große Stütze. Das
Mutter-Tochter-Verhältnis ist gespannt und sehr gut dargestellt.
Die Untoten, oder
„Infizierten“ wie der Autor sie nennt, geben ein völlig neues Bild der Zombies
ab. Sie sterben nicht direkt, werden nicht gebissen oder Ähnliches, sondern
handeln sich einen Virus ein, der sie verwandelt. Sie sind aggressiv, nutzen
Waffen zum töten und erscheinen, als würden sie trotz allem noch auf irgendeine
auf Instinkt begründete Art, denken. Natürlich fehlen nicht die typischen
Merkmale, wie die Körperhaltung oder das Fressen der Menschen. Und das beste,
es wird nicht ein einziges Mal das Wort Zombies erwähnt, aber dennoch weiß der
Leser, mit was er es zu tun hat.
„Pandämonium“
beginnt am Anfang schon recht brutal, was aber durchaus Genretypisch ist. Die
Abgeklärtheit, mit welcher die erste Szene aus Sicht der Figur geschrieben ist,
macht es nur noch schlimmer.
Würde dieser Stil
beibehalten werden, wäre diese Geschichte der neue Zombie-Roman schlechthin und
würde mit vielen neuen Ideen und einer Menge Potenzial um das Thema der
wandelnden Leichen aufwarten. So webt der Autor aber alsbald eine zunehmend
unglaubwürdige Vorbereitung zum Auflösen der Vorfälle ein, die den Leser mehr
als Zweifeln lassen. Recht schnell ist klar, worauf es am Ende hinausläuft und
das Potenzial des Anfangs ist verschenkt. Böse Gedanken, die sich in einem
sozialen Netzwerk bündeln und dadurch für „Gerechtigkeit“ sorgen, in dem andere
Mitglieder einen tödlichen Virus auf die Welt loslassen. Das alles wird genährt
durch Hass. Sobald man anfängt zu hassen, findet einen das Netzwerk von
alleine. Wenn diese Erklärung vielleicht anders ausgearbeitet und verwickelt
gewesen wäre, hätte der Autor auf eine wirklich sehr subtile Art auf die
Gefahren in sozialen Netzwerken hinweisen können. So aber wirkt es eher
krampfhaft und einfach nur unglaubwürdig.
Zu Beginn befindet
man sich ein einem vielversprechenden postapokalyptischen Endzeit-Thriller, und
wenn der Autor seine Geschichte auf die beklemmende Stimmung des abgeriegelten
Plattenbaus und des toten Berlins beschränkt hätte, wäre es auch ohne Probleme
bis zum Ende hin dabei geblieben. Sobald man aber die recht fade und in meinen
Augen unglaubwürdigste Erklärung für ein Todesvirus vorgesetzt bekommt,
verliert der Roman jeden Schrecken.
Das Ende ist
vorhersehbar und mir leider auch zu undurchsichtig. Es fehlt die endgültige
Auflösung der in der Geschichte verknüpften Fäden, was ich mir nur damit
erklären kann, dass der Autor eine Fortsetzung plant.
Schreibtechnisch
kann der Autor sich wirklich mit anderen genretypischen Romanen messen. Das
Grauen durch einen Virus kommt in vielen Szenen hervorragend rüber. Obwohl in
meinen Augen hier, und da einige Defizite sind, die wahrscheinlich nicht hätten
sein müssen, finde ich „Pandämonium“ als Endzeit-Roman ansprechend. Es gibt
einige Ansätze über, die sich das Nachdenken lohnt, die inhaltliche Struktur
ist stimmig und logisch nachzuvollziehen.
Dass die
aufklärende Lösung unglaubwürdig ist, ist wirklich schade, tut aber dem neuen
Bild der wandelnden Virusschleudern keinen Abbruch.
Fazit
Wer also nichts
gegen eine sehr eigene Erklärung in Bezug auf Zombies hat, ist mit diesem Buch
bestens bedient. Hat man jedoch höhere Ansprüche an einen postapokalyptischen
Zombieroman, sollte man sich das Lesen dieser Geschichte gut überlegen.
Klappentext
Ein gefährliches
Virus breitet sich in Berlin aus, das die Menschen grausam verändert. In einem
Plattenbau, der unter Quarantäne gestellt wird, bangen die sechzehnjährige
Naomi und eine kleine Gruppe von Nachbarn um ihr Leben. Als ihnen die Flucht
gelingt, landen sie in Berlin Mitte, das mittlerweile von Stacheldraht umzäunt
und zur Seuchenzone erklärt wurde. Noch ahnt keiner, dass Berlin erst der
Anfang ist - und dass hinter dem Todesfieber ein globales Netzwerk steckt, das
nur ein Ziel hat: Die Menschheit soll sich selbst zerstören ...
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Huhu Tilly,
AntwortenLöschenwie schade, dass diese anfangs vielversprechende Geschichte dann doch so ein paar kleine Schwachpunkte hatte. Sicherlich ist es nicht einfach bei einem Zombieroman eine Handlung zu schaffen, die nicht vorhersebar ist. Es gibt einfach schon so viele Geschichten dieser Art auf dem Markt. Aber dennoch würde ich einige Überraschungen in der Storyline erwarten.
Was die Figuren angeht. Dass Naomi als Protagonist eher emotionslos wirkt, hat mich skeptisch zurückgelassen. Du schreibst aber, dass sie über die Seiten hinweg eine gute Entwicklung durchlebt. Ich habe festgestellt, dass es für mich wichtig ist, dass ich mich auf irgendeine Art mit dem Protagonisten einer Geschichte identifizieren kann. Wenn ich so gar keinen Zugang zu ihm finde, dann kann das schon ein K.O.-Punkt für ein Buch sein. Einerseits bin ich nach deinen Worten neugierig auf Naomi geworden, andererseits wäre ich mir aber auch nicht sicher, ob sie mir ein wenig zu gefühlskalt wäre.
Auch finde ich es etwas schade, dass Jimmy als Bösewicht so eindimensional dargestellt wurde. Ich mag Bösewichte, bei denen auch auf irgendeine Art etwas durchschimmert, was erkennen lässt, warum sie zu diesem Menschen geworden sind, den sie nunmehr verkörpern.
Herr Witter hingegen hat meine Neugierde geweckt. Er scheint in sehr spezieller und sehr interessanter Charakter zu sein.
Auch, wenn ich mir nicht sicher bin, ob das Buch etwas für mich wäre, so muss ich sagen, dass ich wieder unglaublich viel Spaß dabei hatte deine Rezension zu lesen. Vielen Dank für dieses Leseerlebnis und diese aussagekräftige Rezension <3
Ich wünsche dir ein wunderschönes Wochenende.
Ganz liebe Grüße
Tanja :o)