Donnerstag, 14. März 2019

"Multiplayer", Jannis Becker




[Old but gold]

Inhalt/Meinung


Ich hatte mich um ein Rezensionsexemplar beworben, weil mich der Klappentext neugierig gemacht hat. Können Online-Rollenspiele wirklich gefährlich werden? Was steckt hinter den einzelnen Figuren und wie beeinflussen diese Spiele das Privatleben? Ob der Autor mir meine Fragen beantworten konnte? Schauen wir mal nach …

Finja ist die weibliche Hauptprotagonistin und im Grunde das, was man sich unter einer Online-Game-Spielerin in den Mitzwanzigerin so vorstellt. Sie leidet unter einer Menge Selbstzweifeln, meistens geschürt von ihrem Umfeld. Egal ob bewusst oder unbewusst machen ihre Mitmenschen ihr das Leben noch schwerer und bestätigen sie noch in ihren (teilweise ausufernden) „Wahnvorstellungen“.

Immer wieder lässt sie Dinge mit sich machen, die sie eigentlich nicht will und ärgert sich dann im Nachhinein, dass sie sich nicht gewehrt oder ihre Meinung kundgetan hat. Durch das Rollenspiel entflieht sie dieser, in ihren Augen, unfairen Welt. Innerhalb von „Breathe of Doom“ ist sie stark und schön, kann gegen größere Gegner kämpfen und gewinnt. Innerhalb dieses Spiels ist sie einfach eine ganz andere „Person“ und dieses Gefühl genießt sie.

Ich glaube, dass Finja mit den richtigen Menschen um sich herum von ganz alleine zu mehr Selbstbewusstsein gefunden hätte. Aber die Menschen, mit denen sie sich abgibt und die ihr Ratschläge erteilen, denken nur daran, was sie selbst machen würden und nicht, ob dieser Ratschlag Finja überhaupt was nützt. Finja hat mir mehreren Meinungen zu kämpfen und ihre eigene geht dadurch vollkommen unter. Von daher sorgt das Online-Spiel dafür, dass sie plötzlich in eine Situation geworfen wird, die in ihrem RealLife spielt und in der sie alleine eine Entscheidung treffen muss. Und da ihr diesmal niemand dazwischen redet, trifft sie in meinen Augen auch die Richtige. Ihr werden rechtzeitig die Augen geöffnet und sie erkennt, durch das Spiel, wer ihr wirklich helfen will und wer nicht.

Die Entwicklung von Finja ist interessant, denn sie zieht sich nicht von unten nach oben durch die Geschichte sondern macht Sprünge. Zwischendurch kommt immer die Person durch, die Finja gerne sein möchte, wird dann aber von ihren Zweifeln wieder verdrängt. Für mich war Finja eine glaubhafte Figur, deren Ängste und Zweifel ich stets nachvollziehen konnte. Manchmal handelte sie zwar ein bisschen naiv, was aber durchaus zu ihrem Charakter passte, alles andere wäre unpassend gewesen.

Das Rollenspiel steht laut Klappentext im Mittelpunkt der Geschichte. Während des Lesens wird jedoch schnell klar, dass das so nicht der Fall ist. Es erschien mir eher, dass das Rollenspiel diesmal die Figur des Antagonisten eingenommen hat. Es umschmeichelt Finja, lockt sie mit falschen Tatsachen immer weiter weg von ihrer eigentlichen Realität.

Das Spiel sorgt dafür, dass Finja sich von ihrem Leben abwendet und selbst während der Arbeit „Feinde“ sieht, wo vielleicht gar keine sind. Anderseits sorgt es dafür, dass sie sich entwickelt. Klingt jetzt etwas absurd, ist aber so.

Denn ich hatte das Gefühl, dass Finja durch das unechte Selbstvertrauen innerhalb ihrer Figur im Spiel, zu mehr Selbstvertrauen außerhalb der virtuellen Umgebung fand. Das Spiel suggerierte zwar nur, dass sie stark und schön ist, aber das Gefühl blieb in Finja erhalten. Natürlich weiß man nicht, wer hinter den Mitspielern steckt und es war auch für mich Überraschend, als das große „Outing“ anstand.

Bei zwei Spielern ahnte ich ihre Identität, auch wenn der Autor gekonnt in eine andere Richtung spielte. Bis zum Ende hin ist Finja dagegen Ahnungslos und genau dieser Umstand, macht das Rollenspiel für sie so gefährlich. „Breathe of Doom“ war für mich innerhalb der Geschichte mehr ein roter Faden, an welchem sich die Handlung entlang entwickelte und auch veränderte, je nachdem wie Finja mit dem Spiel umging.

Es war allgegenwärtig, auch wenn nicht gespielt wurde und am Ende hatte es ja doch etwas Gutes. Außerdem fand ich es gut, dass spieltechnische Begriffe während des Lesens fließend erklärt wurden, damit auch Unwissende (wie ich) wussten, was die Aufgaben der einzelnen Figuren waren.

Zum einen wäre da Stefan, der Abteilungsleiter bei dem Ticketservice und ihr direkter Vorgesetzter. Er spielt in Finjas Leben eine wichtige Rolle, eigentlich sogar zwei. Immer wieder schafft er es, sie zu umgarnen und im Grunde dadurch zu Erniedrigen. Stefan steht weit über Finja und das nicht nur innerhalb der Arbeit. Diesen Umstand lässt er sie fühlen, wann immer er dazu kommt. Und auch hier sorgt das Rollenspiel dafür, dass sein wahres Gesicht zutage kommt.

Der zweite Mann in Finjas Leben ist Ben. Ben ist schüchtern, still und zurückhaltend. Finja ist begeistert und stürzt sich auf ihn wie eine Verdurstende auf Wasser. Allerdings zeigt er schneller, was wirklich in ihm steckt und so ist Finja wieder hin und hergerissen. Ist er wirklich der Mann, den sie in ihm sieht oder spielt er ihr etwas vor? Bei beiden kommt wirklich erst am Ende heraus, wer nun Finjas „Gegner“ ist und wer nicht. Finja muss sich entscheiden, wem sie vertraut und dabei ist es nicht das Rollenspiel, in welches sie sich flüchten kann.

Bei der Darstellung und Beschreibung der Männer hat der Autor in meinen Augen wirklich ganze Arbeit geleistet. Stefan war als Chef und Möchtegern-Aufreißer genauso, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Von Überbevorteilung seiner Lieblinge, bis hin zu Mobbing des Fußvolkes war alles dabei. Und so ganz nebenbei sah er natürlich auch noch wirklich heiß aus. Ben ist das ganze Gegenteil von Stefan. Arbeitslos, Problembehaftet und Unsicher in allem was er tut, versucht er, Kontakt zu Finja herzustellen. Sie lässt es zu und er stößt sie weg.

Ben (v)erschreckt sie durch sein Verhalten und als er sie zurückholen will, will sie nicht mehr. Er stellt ihr nach und am Ende kämpft er mit Schwertern um seine Liebe. Ben zeigt sein wahres Gesicht und wozu er wirklich fähig ist.

Die Handlung ist eigentlich recht uninteressant. Finja hat einen Job, der sie nicht zufriedenstellt, Probleme mit ihrem Chef, ihr Privatleben ist eine einzige Katastrophe und dann lacht sie sich noch einen Stalker an.

Wer kennt Probleme mit dem Chef nicht?

Jeder muss irgendwann mal Arbeit machen, die einen nicht restlos begeistert und dass das Privatleben nicht immer rosig ist, kennen wir auch. Ja, die Sache mit dem Stalker kennt wohl nicht jeder (hoffentlich), aber dennoch hat man davon mit Sicherheit schon gehört.

Natürlich ist das jetzt nur mal grob angerissen und die Handlung ist auf den zweiten Blick viel komplexer als sie auf den Ersten zu sein scheint.

Zwar gerät augenscheinlich das Online-Spiel in den Hintergrund, aber dennoch spielt es immer eine Rolle und ist allgegenwärtig. Nichts würde sich so entwickeln, wie es das tut, wenn Finja nicht dieses Spiel spielen würde. Auch die Entwicklung der Charaktere wäre anders, denn sie werden bewusst und unbewusst in ihren Handlungen von dem Spiel gelenkt. Dadurch wird eine einfache Handlung interessant und mitreißend und der Autor hatte mich von der ersten Zeile an in seinem Bann. Gekonnt verknüpft er die Entscheidungen innerhalb des Spiels mit Situationen im RealLife, ohne das ich als Leserin es sofort bemerkt habe. Klasse Umsetzung!

Im RealLife ist es ja bekanntlich so, dass man nicht durch „Neustart“ noch mal von vorn beginnen kann. Auch hat man nicht mehrere Charaktere, aus denen man sich den Besten und stärksten auswählen und nutzen kann. Alles geht seinen Lauf, ohne Pause oder Tipps am Bildschirmrand. Genau das muss Finja auch einsehen, als sie am Ende ihres eigenen Spiels vor ihrem persönlichen Endgegner tritt. Und dennoch schöpft sie aus dem Onlinespiel Kraft und Mut, um sich ihren Problemen zu stellen.

Das Ende löst alle Fragen auf, verknüpft vielleicht noch lose Fäden und hat dennoch Raum, um eigene Interpretationen einbringen zu können. Es passt zum Verlauf der Geschichte und zeigt, wie weit sich die einzelnen Figuren entwickelt haben. Nicht immer zum Positiven, aber auch das gehört zu einer Geschichte dazu.



Fazit


„MULTIPLAYER“ konnte mich von Anfang an auf ganzer Linie überzeugen und ich konnte es kaum aus der Hand legen. Der Spannungsbogen ist meiner Meinung nach von Anfang an recht hoch, aber auf eine dezente Art, und endet in einem wirklich großen Knall.

Jannis Becker zeigt mit dieser Geschichte, wie sich Onlinespiele auf das gesamte Leben eines Menschen und seiner Umgebung auswirken können. Das Spiel ist ein wichtiger Aspekt innerhalb der Geschichte, drängt sich aber nie in den Vordergrund. Glaubhafte Figuren und eine realitätsnahe Handlung runden das Bild ab.


Klappentext


„Rache ist etwas Wunderbares, dachte Finja. Sie hatte einmal gelesen, dass Rache nur dann süß sei, wenn das Opfer den Rächer erkannte. Seit sie ‚Breath of Doom‘ spielte, teilte sie diese Ansicht nicht mehr. Es war viel schöner, sich im Stillen zu rächen, unerkannt und in fremder Gestalt.“

Ein Chef, der sie schlecht behandelt. Kollegen, die ihr die kalte Schulter zeigen. Ein Leben, das sie von Tag zu Tag mehr zu ersticken droht. Finja fühlt sich wie im freien Fall – bis sie das Online-Rollenspiel „Breath of Doom“ entdeckt. In der abenteuerlichen Fantasywelt wird aus der hilflosen jungen Frau die mächtige Zauberin Brianna. Hier kann sie es mit jedem Gegner aufnehmen und voller Selbstvertrauen von Sieg zu Sieg ziehen. Auch in Finjas wahrem Leben scheint sich auf einmal alles zum Guten zu wenden, als sie dem schüchternen Ben begegnet. Doch ist er wirklich der Mann, für den sie ihn hält? Und ist auch in der Online-Welt alles anders, als es auf den ersten Blick scheint?

Ein fesselnder Roman über die beklemmende Frage: „Was passiert, wenn ein Spiel zur gefährlichen Falle wird?“
 




















(Das Copyright von zitierten Texten, Bildern und Illustrationen liegt bei den Verlagen, Autoren und/oder den Illustrationen, die im Impressum erwähnt werden. Das Copyright der Rezensionen liegt bei mir. Zitate an anderen Stellen nur mit meiner ausdrücklichen Erlaubnis.)

5 Kommentare:

  1. Oh ein weiteres Buch auf meiner Wunschliste. g

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  2. Klingt richtig gut, und ich muss zugeben, dass mich der Spiele-Aspekt zu der Rezi gelockt hat.
    Ich werde es auf jeden Fall mal im Auge behalten. :-)

    Liebe Grüße,
    Mona

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    Antworten
    1. Ich war sehr überrascht, dass dieser Spiele-Aspekt so gut rübergekommen ist! War wirklich interessant!

      LG
      Tilly

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  3. Hallo liebe Tilly,
    du liest immer so interessante Bücher. Geschichten, die ich noch so gar nicht auf dem Schirm hatte. Bereits bei dem Blick aufs Cover bin ich neugierig geworden. Auch interessiert mich das Thema Rollenspiel sehr. (Ich war damals selbst begeisterte Zockerin) Das was du über die Protagonistin schreibst hat mir schon unheimlich gut gefallen. Ich finde der Grund, warum sie sich in virtuelle Welten flüchtet, ist nachvollziehbar. Überhaupt gefällt mir die psychologische Komponente hier sehr. Auf die beiden männlichen Charaktere hast du mich mit deiner Rezension auch gerade wirklich neugierig gemacht. Da möchte man doch wissen, was sich hinter ihrer oberflächlichen Fassade noch so verbirgt. Okay. Das Buch muss jetzt auch auf meine Wunschliste. Hilft ja nichts ;o)
    Vielen Dank für diese geniale Rezension. Ich muss sagen, dass mir alleine das Lesen deiner Worte schon richtig viel Spaß gemacht hat <3

    Ganz liebe Grüße
    Tanja

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