Inhalt/Meinung
Die Geschichte beginnt in einer Kleinstadt, wie sie überall auf der Welt zu
finden ist. Jeder kennt jeden. Die Stadt ist geprägt durch den Zusammenhalt der
Bewohner, Blumen schmücken den Dorfplatz und man hilft sich gegenseitig wo man
kann. Aber der Schein trügt, denn gleich zu Beginn gibt es einen Todesfall, der
das Leben in dem sonst so idyllischen Örtchen Pagford auf die Probe stellt und
die dunkle Seite der sonst anscheinend friedfertigen Menschen zu Tage bringt.
Barry Fairbrothers Tod reißt eine Lücke in den Gemeinderat
und der zwischenmenschliche Krieg beginnt. Man wird in die Machenschaften der
einzelnen Bürger hineingezogen, der Kampf um den freien Sitz im Gemeinderat ist
nicht von Freundlichkeit beleuchtet und die Kämpfenden ziehen alle Regeln der
Kriegskunst zu Rate.
In den ersten Kapiteln lernen wir eine sehr große Anzahl an
Figuren kennen, deren Leben J. K. Rowling gekonnt miteinander verknüpft, die
aber unterschiedlicher nicht sein könnten.
Familien, die nur nach außen das Bild einer
funktionstüchtigen Familie geben, aber innerhalb herrscht rohe Gewalt vor.
Streit unter Nachbarn der auch vor Rufmord keinen Halt macht, einseitige
Liebschaften, Verwahrlosung gepaart mit Hoffnungslosigkeit, Drogenmissbrauch
und die daraus entstehenden Probleme. Eltern und und deren Kinder, die sich
gegenseitig das Leben zur Hölle machen. Freundschaften, die gar keine sind.
Man wirft einen Blick hinter die Kulissen eines harmonischen
Provinznestes, bei dem man die Harmonie zwischen trostloser Handlung und
menschlichen Abgründen sucht.
Die Autorin schreckt nicht davor zurück, uns die unbequemen
Wahrheiten und kaputten Familienverhältnisse genauestens aufzuzeigen.
Abartigkeiten, die niemand hören, geschweige denn Lesen will.
Als roter Faden kommt immer wieder der Tote Barry
Fairbrother ins Spiel, der sich für die untere Schicht in einer Sozialsiedlung
eingesetzt hat. Als Leser begleiten wir, neben vielen anderen interessanten
Charakteren, Krystal Weedon. Der besondere Schützling des Verstorbenen zeigt
eine angedeutete, positive Wandlung, bis hin zu einer verzweifelten Denkweise
die das Ende einläutet.
Für schwache Nerven, zartbesaitete Menschen und solche, die
über menschliche Niederungen nichts wissen wollen, ist „Ein plötzlicher
Todesfall“ nicht geeignet. Hier wird nicht mit Blümchen und Bienchen um sich
geworfen, was viele sicher verschrecken könnte. J. K. Rowling bedient sich
einer stellenweise sehr ordinären Sprache, die Figuren sind manchmal vulgär,
beschimpfen sich mit Wörtern weit unter der Gürtellinie. Wer über die Sprache
hinweg sehen kann, die sicherlich nichts Liebevolles an sich hat, sieht, dass
durchaus auch mit heftigen Worten große Bilder erzeugt werden können.
Gewalt, körperliche wie geistige, sind dort an der
Tagesordnung. Man wird in die Abgründe des Menschseins hinein gezogen und
bekommt Dinge gezeigt, die sonst nur hinter gut verschlossenen Türen
stattfinden. Auch in dem Ort findet das alles nicht auf offener Straße statt,
obwohl das manchen der Protagonisten wohl am liebsten wäre, aber als Leser darf
man hinter die Gardinen blicken. Und man bekommt nicht das Sonntagsservice vor
die Nase gesetzt. Rücksicht auf die Gefühle von irgendwelchen Personen nimmt
dort keiner. Nicht mal Rücksicht auf die eigene Familie.
Nach außen hin wird von vielen Figuren versucht, das Bild
einer heilen Stadt mit freundlichen Bewohnern, zu wahren. Je mehr nach dem Tod
des Gemeinderatmitglieds aber passiert, desto mehr Risse bekommt dieser
trügerische Schein. Jede Handlung, egal welcher Figur, ist irgendwie mit einer
Handlung einer anderen verbunden. Meistens wissen die agierenden Personen nicht
einmal, was sie anrichten und bei wem ihre Reaktion eine Aktion hervorruft.
Dass die Autorin kein Blatt vor den Mund nimmt, gefällt mir.
Ob es um den Drogenmissbrauch bei Jugendlichen geht, gefühlloser Sex auf dem
Friedhof oder die Gedanken an Mord innerhalb einer Ehe, es wird alles knallhart
auf den Tisch gebracht. Die einzelnen Protagonisten sind mit allen Ecken und Kanten
glaubwürdig ausgearbeitet, die Sprache passt zu einer Sozialsiedlung oder zu
dem anständigen Feinkostladenbesitzer. Jugendliche rebellieren, Frauen
intrigieren und Männer ziehen den Schw*** ein.
Als Erstes hätten wir da den eigentlichen Hauptprotagonisten
Barry Fairbrother. Er stammt selbst aus der Sozialsiedlung, um die es sich im
eigentlich dreht. Hin und her gerissen zwischen dem Drang anderen dort zu
helfen und der Pflicht eines Gemeinderatsmitglieds der Stadt gegenüber versucht
er auch noch seinen familiären Pflichten nachzugehen. Alles wohl mehr schlecht
als Recht, wenn man sein Ende bedenkt. Für seinen Kampf im Namen der
Sozialsiedlung wird er von einigen geliebt, von anderen gehasst.
Als Nächstes lernen wir Miles und Samantha Mollison kennen.
Er ist ganz sein Vater und sie will mehr als das Leben bis jetzt für sie
gebracht hat. Miles macht nur das, was sein Vater sagt. Natürlich soll er jetzt
in den Gemeinderat aufrücken, da sein Vater dort auch ist. Samantha ist eine
Tratschtante, wie sie im Buche steht und ihr Lebensmittelpunkt besteht darin,
ihre Schwiegermutter mit Neuigkeiten zu übertrumpfen. Beide waren dabei als
Barry Fairbrother gestorben ist. Sie sitzen sozusagen an der Quelle und nutzen
diese Situation eiskalt aus.
Familie Price ist auf den ersten Blick wie jede andere
Familie auch. Mutter Ruth, Vater Simon und zwei Kinder. Dass der Vater
ernsthafte Probleme mit seiner Ansicht auf bestimmte Dinge hat, sieht nur der
ältere Sohn Andrew. Dafür bezieht er aber auch regelmäßig Prügel. Bei dem
Versuch seinen kleinen Bruder und seine Mutter zu schützen, gleichzeitig seinem
verhassten Vater eine auszuwischen, geht so ziemlich alles was er macht, nach
hinten los. Im Prinzip ist er und eine seine Handlungen der altbekannte Tropfen
der das Fass zum überlaufen bringt und dadurch wird eine Welle ausgelöst, die
bis zum Ende hin anhält.
Howard und Shirley Mollison, Eltern von Miles, Besitzer des
Feinkostgeschäfts und Mitglied im Gemeinderat. Sie betrachten sich selbst als
die heimlichen Herrscher von Pagford. Jeder, der ihnen und ihren Interessen im
Weg steht, wird auf die eine oder andere intrigante Weise vernichtet. Sie ist
die treibende Kraft hinter vielen seiner Entscheidungen und merkt vor lauter
Falschheit nicht, dass ihre Ehe auch nicht das Gelbe vom Ei ist. Denn sie teilt
sich ihren Mann mit der Geschäftspartnerin Maureen. Alt und klapprig macht sie
auf 30 Jahre jünger, denkt sie weiß alles über jeden und hat eine eigene
Definition von Geschäftsbeziehung zu Howard.
In einem sind sich die zwei Frauen aber einig, nicht immer
aber meistens, sie können Samantha nicht leiden.
Neben Krystal Weedon, dem Mädchen in der Sozialsiedlung um
die sich Barry Fairbrother gekümmert hat, die eine drogenabhängige Mutter und
einen etwas in der Entwicklung zurück gebliebenen kleinen Bruder vorweisen
kann, gibt es noch Andrews besten Freund Stuart Wall. Er rebelliert gegen
alles. Eltern, Schule, Freunde. Im Prinzip weiß er nicht, was er will und am
Ende bricht für ihn alles zusammen. Er trägt einen erheblichen Anteil an der
ganzen Situation, allerdings hat er eine, sogar für mich als Leser,
nervenaufreibende „Ist mir egal“ Einstellung. Das Einzige, was für ihn zählt,
ist den ultimativen Kick zu finden. Aber er weiß nicht wie.
Meiner Meinung nach sind das so ziemlich die wichtigsten
Personen, die die Handlung vorantreiben. Die Sozialarbeiterin, die mit dem
besten Freund des Toten eine unglückliche Beziehung führt oder der Arzt,
welcher Howard einen Bypass eingesetzt hat und dessen Tochter sich selbst
Schmerzen zufügt, gehören auch dazu. Das sind Probleme, die sich als
Nebenhandlung abspielen aber dennoch interessant sind, weil sie zum Gesamtbild
dazugehören. Die Autorin hat die einzelnen Leben, verzwickten Situationen und
die Probleme der vielen Bewohner auf eine eigene Art miteinander verbunden.
Sehr schade finde ich, dass vieles nicht der Fantasie des Lesers überlassen
wird, manche Szenen sind in meinen Augen
doch etwas zu heftig auf die Spitze getrieben worden.
Im Großen und Ganzen aber passt diese kalte, nüchterne und
stellenweise gefühlskalte Erzählweise zum Gesamtbild.
Nach einer jahrelangen Reise mit Harry Potter wurde dieses
neue Buch mit Spannung erwartet. Während des Lesens war es seltsam, man wartete
förmlich auf einen Zauberspruch, Halbriesen oder geheimnisvolle Andeutungen.
Ich finde, J. K. Rowling hat den Absprung geschafft. Mit Harry Potter hat sie
uns bewiesen, dass sie Welten erschaffen kann, die an Magie und Zauberer
ihresgleichen suchen. Mit „Ein plötzlicher Todesfall“ zeigt sie, dass es nach
dem letzten Band von Harry Potter aber nicht vorbei ist. Und das die Autorin
durchaus in der Lage ist, Themen aufzugreifen die unliebsam sind und
Situationen beschreiben kann, die jeder in irgendeiner Art und Weise schon mal
gesehen hat. Sie setzt ihren Lesern ein Gegenteil zu ihrem Zauberlehrling vor
die Nase, das in der Realität spielt, so
dass einem die Skandale und Intrigen schon mal schwer schlucken lassen.
Ich bin der Meinung, wer Harry Potter gelesen und geliebt
hat, kann das neue Werk durchaus mal in die Hand. Aber man soll nicht auf ein
fantastisches Happy End warten, denn diesmal führt die Autorin uns nicht in
zauberhafte Welten sondern in die Abgründe der Menschen, die etwas wollen, was
alle anderen auch wollen. Es wird mit Zähnen und Krallen gekämpft und die
Menschen nehmen keine Rücksicht auf Verluste. Fiese Doppelmoral und
Verlogenheit, gepaart mit einer tollen Beobachtungsgabe, die keine Details
außer Acht lässt.
Einmal angefangen konnte ich nicht wieder aufhören.
Obwohl ich finde, dass das Ende nach einer ganzen Weile
vorhersehbar war, was die Spannung etwas genommen hat. Während des Lesens
drängte sich mir ein Bild eines möglichen Endes auf, dieses Bild konnte durch
keine Szene zerstört werden und genauso ist es auch eingetreten. Eigentlich wirklich
Schade. Allerdings wäre jedes andere Ende auch unglaubwürdig gewesen.
Allerdings wäre hier ein bisschen mehr „Andeutung“ besser gewesen, als dieses
kalte „Offensichtlich“.
Fazit
Keine Schönrederei, knallharte Tatsachen und kaputte,
zwischenmenschliche Beziehungen, die man in jeder anderen, angeblich
idyllischen Kleinstadt ebenfalls finden kann.
J. K. Rowling hat gezeigt, dass sie nicht nur Jugendbücher
schreiben kann und „Ein plötzlicher Todesfall“ ist der beste Beweis dafür! Ich
kann es nur empfehlen.
* * *
Als Barry Fairbrother mit Anfang vierzig plötzlich stirbt, sind die Einwohner von Pagford geschockt. Denn auf den ersten Blick ist die englische Kleinstadt mit ihrem hübschen Marktplatz und der alten Kirche ein verträumtes und friedliches Idyll, dem Aufregung fremd ist. Doch der Schein trügt. Hinter der malerischen Fassade liegt die Stadt im Krieg. Krieg zwischen arm und reich, zwischen Kindern und ihren Eltern, zwischen Frauen und ihren Ehemännern, zwischen Lehrern und Schülern. Und dass Barrys Sitz im Gemeinderat nun frei wird, schafft den Nährboden für den größten Krieg, den die Stadt je erlebt hat. Wer wird als Sieger aus der Wahl hervorgehen – einer Wahl, die voller Leidenschaft, Doppelzüngigkeit und unerwarteter Offenbarungen steckt? J.K. Rowlings erster Roman für Erwachsene ist aufwühlend, berührend und spannend. Ein großer Roman über eine kleine Stadt von einer der besten Erzählerinnen der Welt.
"Ein plötzlicher Todesfall", J.K. Rowling
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